HAIR—LEAVING TRACES


HAAR – SPUREN HINTERLASSEN


Hülle, 2013, paper envelope, package cord, human hair felted, showcase: 24,5x33x8cm

        DE
Als gleichermaßen organische wie auch unbelebte Materie zeigt das Haar die Merkwürdigkeit der Auswüchse des menschlichen Körpers. Die Zustände, die Haare in den Werken von Mirjam Elburn annehmen, sind schwer zu fixieren. Zwischen dem einzelnen und dem verbundenen Haar entstehen fremdartige und irritierende Korrelationen, Viel- und Einheiten, die nicht zur Ruhe kommen, sich weder einordnen noch feststellen lassen. (MW)

(…) Mirjam Elburns Arbeiten konfrontieren uns dagegen oft mit Dingen, die wir so nicht erwartet haben. Haare – eines der wohl bekanntesten Materialien in Mirjam Elburns Arbeit – sind zum einen alltäglich und dennoch ein sehr persönliches Thema für Frauen wie Männer. Über Haare als Motiv oder auch Material in der Kunst wurde viel und kann auch noch viel geschrieben werden. Sie sind – wenn noch am Körper verwurzelt – Quelle von Freude, Wohlbefinden, Selbstbewusstsein, aber auch von Frustration oder Unwohlsein. Selbst abgeschnitten scheinen sie einen Teil der Persönlichkeit mitzunehmen, weswegen sie in vielen Kulturen eine magische Zutat sind. Oft erscheint Haar am Körper lebendig, losgelöst davon tot. Ohne den Bezug zur Person wirkt abgeschnittenes Haar wie ein Fremdkörper.
        Die Haare in Mirjam Elburns Arbeiten scheinen hier so gar nicht tot, sondern recht lebendig, sie wuchern geradezu aus dem Papier heraus. Bei einem Stück handelt es sich um eine Familienbibel, bei dem anderen ist das Seiden- oder Pergaminpapieres kaum mehr auszumachen. Das Papier ist kurz vor der Auflösung und man weiß nicht, ob die Haare diesen Prozess beschleunigen oder im Gegenteil verlangsamen, das Papier zusammenhalten. Menschengemachter Werkstoff scheint in einer Art tödlicher Umarmung mit menschlichem Material zu liegen.
        Beide Relikte ergeben zusammen etwas Neues, vielleicht Absurdes, vielleicht Lebendiges. Als hätte ein Alchemist zwei Komponenten zusammengemixt, und als würden zwei abgelegte Relikte eine – im biochemischen Sinn – Reaktion auslösen.
         Ganz sicher lösen sie (…) eine Reaktion beim Besucher aus, denn ganz sicher durchkreuzt Mirjam Elburn mit ihren all Arbeiten unsere Erwartungs-, Seh- und Denkmuster. (IR)

Text: M. Winzen zur Ausstellung in der Galerie der HBKsaar im K4 forum, 29. Januar bis 28. Februar 2010, Saarbrücken 2010 und Ines Rüttinger: Eröffnungsrede zur Ausstellung patterns in der IHK-Galerie Siegen am 1. September 2016

        EN
As equally organic as well as in-animated matter hair shows the peculiarity of the outgrowths of the human body. The conditions, which hair in the work of Mirjam Elburn assume, are difficult to fix. Between the single and the connected hair strange and irritation correlations arise, diversities and unites that do not come to a rest, can neither be classified nor determined. (MW) 

(…) Mirjam Elburns works do confront us often with things we did not expect to be like that. Hair—on of the most famous materials in the work of Mirjam Elburn—are on the one hand commonplace and on the other nevertheless  very personal topic for women and men. On hair as a motif and material in art a lot is written and can still be written a lot. Hair is—when rooted in the body—source of joy, wellbeing, self-confidence, but also of frustration or malaise.
        Even cut off they seem to take a part of the personality with them, which is why they are a magical ingredient in many cultures. Often hair appears alive on the body, detached format dead. Without connection to the person cut off hair seems like a foreign body.
        But hair in the work of Mirjam Elburn do not seem dead here at all, but rather alive, they almost proliferate out of paper. On piece comes from a family bible, another the silk or glassine paper can hardly be made out. The paper is on the verge of dissolution and you do not know whether the hair speeds up, or on the contrary slows down the process, maybe holds together the paper. Man-made material seems to be in a kind of deadly embrace with the human material. Both relics together result in something new, perhaps absurd, perhaps lively. As if an alchemist has mixed to components together, and as if two discarded relics cause—in the biochemical sense—a reaction.
        They definitely trigger (…) a reaction from the observer, because Mirjam Elburn thwarts expectations, vision and thought patterns. (IR)

Text: M. Winzen on the exhibition at Galerie der HBKsaar im K4 forum, 29. January til 28. February 2010, Saarbrücken 2010 and Ines Rüttinger: opening speech of the exhibition patterns at IHK-Galerie Siegen on September 1st, 2016


carapace 2011, cartonage, cellulose, human hair felted, ca. 53x18x11cm